Du wolltest schon immer wissen, wie die Start-up-Szene in New York funktioniert? Oder wie man sich einen amerikanischen Investor angelt? Mitte September habe ich eine Woche in New York City und Boston verbracht um mich intensiv mit der Szene auseinanderzusetzen. Der Kick-Off  fand am Sonntagabend gemeinsam mit den 10 vorausgewählten österreichischen Start-ups, Advantage Austria und dem Austria Wirtschafts Service statt. Das Format ähnelt einem Mini-Bootcamp und ist eine Mischung aus Workshops, Keynotes, Netzwerktreffen, One-on-Ones mit Investoren, Pitchingevents und Einführung in die Startup-Welt an der Ostküste. Extrem fordernd, aber da unsere Teilnehmer mit Leidenschaft, Disziplin und Mut gesegnet waren, haben alle intensiv mitgearbeitet.

Am ersten Tag der Pitching-Days New York haben wir erste Einblicke in die Start-up-Landschaft von New York City bekommen. Gemeinsam mit den wichtigsten Influencern haben wir gesehen, wie Start-ups, Investoren, potentielle Kooperationspartner und zukünftige Mitarbeiter miteinander kommunizieren: Und zwar über die Plattform „Digital NYC“. Zusätzlich hat uns John Lynn als einer der führenden Netzwerkern der New Yorker Tech-Szene erklärt, wie Innovation hier funktioniert, aufgebaut und gelebt wird. Die New York City Development Corporation hat es sich zum Ziel gesetzt, dass die Stadt zu einem dynamischen und urbanen Ökosystem für Start-ups wird. Es ist der erste Ansprechpartner für all jene, die sich hier mit ihrem Unternehmen niederlassen möchten.

Parallel haben wir alle Voraussetzungen diskutiert, die zu einem amerikanischen Investment führen. Der amerikanische Investor an sich wird nie in ein Unternehmen investieren, welches nicht auf amerikanischen Boden zumindest eine Tochtergesellschaft gegründet hat. Um einen Überblick über die rechtlichen Gegebenheiten behalten zu können, ist dies eine Voraussetzung. Viele Investoren halten 20 oder mehr Beteiligungen. Müssten sie sich auch noch mit unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen – wie zB einer österreichischen GmbH – auseinandersetzen, rentiert sich das Geschäft neben dem Risiko nicht – die Administrationskosten wären zu hoch. Außerdem ist neben dem Einsatz von Kapital vor allem das lokale Netzwerk ein Erfolgsfaktor. Wer sich also nicht am amerikanischen Markt niederlassen möchte, dem nützt auch das Kapital eines Investors nichts. Der typische US-VC wird nur dann Geld investieren, wenn er den Markt und die Marktgegebenheiten kennt. Außerdem haben wir festgestellt, dass ein Netzwerk oft an geografische Grenzen geknüpft ist. Dementsprechend wird ein Investor am heimischen Markt nicht nur Strategien besser verfolgen können, sondern auch leichter Türen öffnen. Im Zuge dieses Bootcamps haben wir nicht nur eigene Markenstrategien diskutiert, sondern auch mit erfolgreichen Unternehmern und Experten aus dem Bereich Venture-Capital gesprochen.

Regel Nr. 1: Erst dann Kontakt mit einem amerikanischen Investor/VC-Fonds aufnehmen, wenn es eine klare Strategie für den amerikanischen Markt gibt. Dies setzt voraus, dass zumindest ein Gründungsteam-Mitglied nach Amerika zieht, dass hier eine Gesellschaft gegründet wird und dass es auch eine Marktstrategie gibt.

Wird dem Investor eine Strategie präsentiert, die dazu führt, dass ohne ein amerikanisches Investment trotzdem eine Niederlassung bzw. Firmensitzgründung vorgenommen wir, so schafft dies schon auf jeden Fall eine Basis für ein weiteres Gespräch.

Erhält man einen Termin, so sollte man sich sehr gut auf den Investor vorbereiten. Es macht Sinn, nicht wahllos auf jeden Investor zuzugehen, sondern sich mit dem Portfolio des Gegenübers zu beschäftigen und zu schauen, ob das eigene Businessmodell mit den bereits getätigten Investments vergleichbar oder idealerweise sogar komplementär ist. Damit erspart man sich vor allem leere Gespräche und Kilometer.

Die Tage 2 und 3 unserer New York Reise waren sehr stark von Interaktionen mit Investoren geprägt. Den gesamten Dienstag haben wir bei unterschiedlichen Venture-Capital-Partnern verbracht. Diese haben uns Investitionstrends aufgezeigt und erläutert, in welchen Unternehmensphasen sie in ein Unternehmen einsteigen. Diese Interaktionen haben uns vor allem gezeigt, dass es sich lohnt, bei unterschiedlichen Investoren anzuklopfen und ihnen die eigenen Ideen/das Unternehmen zu präsentieren.

Alle verlangen ein professionelles Pitch Deck, das vor allem die Frage beantwortet: Welches Problem löst das Unternehmen auf welche Weise?

Jedem Investor ist es wichtig, vor allem wenn er schriftliche Dokumente übermittelt bekommt, dass er sofort erkennt, um was es geht. Viele Start-ups machen oft den Fehler, dass sie die Informationen nicht auf den Punkt bringen. Ein weiterer Tipp für die Praxis, gerichtet an alle Gründer: Niemals Informationen verfälschen oder über Tatsachen lügen.

Jeder Investor der in unterschiedlichen Phasen herausfindet, dass Umsätze nicht eingehalten werden, dass Verträge nicht unterschrieben wurden, dass Aussagen in der Verhandlungsphase nicht zugetroffen haben, verliert sofort das Vertrauen in den Gründer. Es ist besser, mit Schwierigkeiten und Problemstellungen offen umzugehen als diese zu vertuschen.

Allgemein ist der Trend in New York, vor allem in sehr frühen Phasen des Unternehmens zu investieren, ein Thema. Besonders interessiert sind die Investoren in den Bereichen VR (Virtuell Reality), Künstliche Intelligenz, Lösungen im IOT-Bereich, Machine-to-Machine-Learning, Medtech und auch an allen Lösungen, die mit dem Thema Unterricht und Online-Learning zu tun haben. Interessant war es für uns, vor allem mit Investoren unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Fondgrößen zu sprechen. Es gibt hier sehr viele Initiativen und Acceleratoren in denen Start-ups ihren Platz finden. Teilweise hat man hier fast den Eindruck, dass die Investoren um gute Unternehmen und Ideen buhlen. Insofern war es für uns einfach, ins Gespräch zu kommen und natürlich mit hervorragenden Teilnehmern das Interesse der Investoren zu wecken.

Höhepunkt bildete am Mittwoch am Abend die organisierte Pitching-Night im Co-Workingspace „Rise“. Gekommen sind nicht nur interessierte Investoren sondern auch unzählige Venture-Capital-Partner, die sich nach potentiellen Investitionsmöglichkeiten umgesehen haben. Es gab sowohl die Möglichkeit vor Ort in Einzelgesprächen mit den Investoren Möglichkeiten und nächste Schritte zu besprechen, als auch auf der großen Bühne vor Allen zu präsentieren. Die diesjährigen Teilnehmer waren extrem gut vorbereitet und alle 10 Start-ups haben eine großartige  Performance vorgelegt.

Ebenfalls ein spannendes Learning hat unser Rechts- und Steuer-Coaching mit sich gebracht. Hier haben uns verschiedene Rechtsanwälte über die Möglichkeiten von Firmengründungen, die unterschiedlichen Modelle, Mitarbeiterbeteiligungen, Firmensitzverlegungen, Verhandlungen mit Investoren, steuerliche Vorteile und auch über das große Thema Einwanderung aufgeklärt.

Naturgemäß ist die Situation betreffend das Thema Einwanderung aus politischen Gründen etwas angespannt und es ist zurzeit wesentlich schwieriger Aufenthaltsgenehmigungen zu bekommen, als es in der Vergangenheit war. Die Rechtsanwälte haben uns aber in unterschiedlichen Bereichen Mut gemacht und stehen mit Rat und Tat zur Verfügung. Das Besondere an der Rechtsanwaltskanzlei ist vor allem die Möglichkeit, sich mit Kapitalgebern zu vernetzen. Da alle Anwälte auch Spezialisten und passionierte Investoren sind, ist es hier einfach, nicht nur gute rechtliche Beratung sondern auch Kontakte zum bestehenden New Yorker Netzwerk zu erhalten. Besonders beeindruckt hat mich persönlich hier die „Open-Door-Policy“ und die Möglichkeit, sämtliche Unterlagen und Vorlagen gratis zu erhalten. Die Rechtsanwälte bemühen sich, aufklärend und als Mentoren zur Seite zu stehen und haben spezielle Pakete für Start-ups, die hier mit Investoren verhandeln. Es macht also durchaus Sinn, einen dieser Herren (oder eine Dame) zu kontaktieren, wenn Gründungsabsichten in den Staaten bestehen.

Alles in Allem war das New Yorker Boot-Camp unglaublich bereichernd. Wir wurden inspiriert von der vibrierenden Szene in der City und haben nicht nur wertvolle Kontakte sondern auch sehr viele Informationen erhalten. Man merkt hier sehr vielen Unternehmern – aber auch Investoren – an, dass sie sich leidenschaftlich gerne in der Start-up-Szene tummeln. Hier geht es nicht nur darum Geld zu machen, sondern an Visionen mitzuarbeiten und Visionäre zu begleiten. Es bringt einen persönlich sehr viel weiter, wenn man sich mit Menschen umgibt, die ihren Traum leben und auch dafür bereit sind, hart zu arbeiten. Alles in Allem hat die City dem Valley Eines voraus: Da sich hier alles auf einer Insel befindet, läuft man sich zwangsläufig irgendwann über den Weg und wir haben gelernt – Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt! Informationen, Kontakte und Visitenkarten weiterzugeben steht hier ganz oben an der Tagesordnung. Jeder möchte uns weiterhelfen und ist engagiert, dass Unternehmer sich für New York und nicht das Valley entscheiden. Ein wesentlicher Vorteil für alle Unternehmer, die mit dem Gedanken spielen nach Amerika zu gehen, ist auf jedem Fall der geringere Zeitunterschied. Die East-Coast ist sehr international, sehr liberal und zukunftsorientiert aufgestellt. Wer das Valley kennt und sich in der New Yorker Szene umgesehen hat, wird mir mit Sicherheit beipflichten, dass wir hier mit weit weniger Rivalität und Ellenbogentechniken konfrontiert werden als vielleicht in anderen Regionen.